Einheitliche Baubegriffe vereinfachen das Bauen. Daraus resultieren Kosteneinsparungen in der Planungsphase. Tiefere Kosten könnten das Bauen darum nicht nur für private, sondern auch für institutionelle Bauherren wieder attraktiver machen. Doch wo stehen wir im Prozess?
Artikel von Mauro Formoso, Real Estate Consultant im Bereich Consulting & Development
«Wohnungsnot» – das (Un-)Wort des Jahres 2024? Zumindest unbestritten ist, dass derzeit weniger gebaut wird, als es die Nachfrage verlangt. Die Gründe hierfür scheinen, wie so oft, vielfältig zu sein. Ein Grund ist wohl, dass aus Sicht der Anleger andere Anlageklassen wieder attraktiver geworden sind. Insbesondere für institutionelle Bauherren ist das ein wichtiger Faktor. Gemäss einer Auswertung des Bundesamts für Statistik (BFS) gehörten im Jahr 2022 zwei Drittel der Wohngebäude in der Schweiz Privatpersonen. Private sind somit nach wie vor die wichtigsten Eigentümer von Wohnungen. Neben ihrem selbstgenutzten Wohneigentum besitzen sie auch noch 45% aller Mietwohnungen (Quelle: Raiffeisen Economic Research). Die kürzlich erschienene Studie «Immobilien Schweiz» des Raiffeisen Economic Research zeigt aber: «Private Haushalte engagieren sich immer seltener als Bauherren von Wohnungen. Nur noch etwas mehr als jede zehnte neue Mietwohnung wird von privaten Bauherren geplant. Vor zwanzig Jahren war es noch jede fünfte.» Bauen wird für Private offensichtlich je länger, je mehr zu anspruchsvoll.
Die Welt wird urbaner, und bauen in urbanen Gebieten ist eben komplexer als auf der grünen Wiese. Das gilt auch für die Schweiz. Beispielsweise dauert der Baubewilligungsprozess gemäss einer UBS-Studie inzwischen rund 20 Prozent länger als noch 2015. Es müssen jeweils viele unterschiedliche Interessen gegeneinander abgewägt werden. «Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Gesellschaft, der in den kommenden Jahrzehnten zu bewältigenden Herausforderungen (Megatrends) und der Verknappung des Baulands wird die Interessenabwägung künftig noch an Bedeutung gewinnen. Wir werden lernen müssen, mit der Komplexität umzugehen.» (Quelle: EspaceSuisse, Raum & Umwelt, 2020)
Harmonisierung der Baubegriffe
Bauen in der Schweiz ist aber nicht nur komplex, sondern auch kompliziert. Jeder Kanton hat sein eigenes Baugesetz, jede Gemeinde ihr eigenes Baureglement. Daraus resultieren unterschiedliche Baubegriffe und Definitionen. Um zumindest diese Kompliziertheit zu reduzieren, wurde bereits im Jahre 2005 die IVHB (interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe) lanciert. Ziel ist die Vereinheitlichung der wichtigsten Baubegriffe und Messweisen. Der Kanton Zürich ist dem Konkordat zwar nicht beigetreten, setzt die Harmonisierung aber dennoch um. Beispiele dafür sind:
- Neue Definition des massgebenden Terrains (ehemals «gewachsener Boden»)
- Neue Definition und Messweisen der Höhenmasse (Gesamt-/ Fassadenhöhe, ehemals First-/ Gebäudehöhe)
- Unterscheiden zwischen Unterniveau- und unterirdischen Bauten
- Tendenziell grosszügigere Auslegung bei zulässiger Kniestockhöhe und Baumassenziffer
- etc.
Auf kantonaler Ebene traten die Gesetzesänderungen im Jahre 2017 in Kraft. Die Änderungen werden in den einzelnen Gemeinden jedoch erst wirksam, wenn diese ihre Bau- und Zonenordnungen (BZO) ebenfalls harmonisiert haben. Die Gemeinden haben dazu Zeit bis am 28. Februar 2025. Höchste Zeit also für einen Überblick.
Eine im öffentlichen GIS-Browser verfügbare Karte vom Amt für Raumentwicklung bietet einen Überblick, welche Gemeinden ihre Bauordnungen an die IVHB angepasst haben. Mit Stand vom 24.05.2024 haben von 160 politischen Gemeinden im Kanton bisher 21% eine harmonisierte und rechtskräftige BZO. Zählt man die zwar genehmigten, aber noch nicht in Kraft gesetzten BZO hinzu, sind es 24%. Weitere 24% haben zumindest bereits die kantonale Vorprüfung abgeschlossen. Von den grössten 20 Gemeinden im Kanton haben allerdings nur zwei eine genehmigte, harmonisierte BZO. Bei den grössten drei Gemeinden (Zürich, Winterthur, Uster) ist die kantonale Vorprüfung noch nicht erfolgt. Gewichtet man die Gemeinde mit der Einwohnerzahl oder der Bauzonengrösse, verringert sich somit der Anteil der in Kraft gesetzten, harmonisierten BZO deutlich. Die erste Gemeinde im Kanton, welche die harmonisierte BZO in Kraft gesetzt hat, war übrigens Weisslingen.
In den Jahren 2022 bis 2023 hat in den Zürcher Gemeinden das Gebäudevolumen im Bereich Wohnen durchschnittlich um 1.0% pro Jahr zugenommen. In den Gemeinden jedoch, welche bis Ende 2022 eine harmonisierte BZO in Kraft gesetzt haben, betrug die jährliche Bauvolumenzunahme durchschnittlich 1.3%. Es ist aber noch zu früh, um sagen zu können, ob ein kausaler Zusammenhang besteht, oder ob es sich um eine zufällige Korrelation handelt. Nachstehende Grafik zeigt die Zunahme des Gebäudevolumens in den zehn grössten Zürcher Gemeinden. (Quelle: statistisches Amt Kt. Zürich)
Ausblick
Aktuell sind zum Thema Harmonisierung der Baubegriffe bereits wieder Änderungsanträge zum Planungs- und Baugesetz (PBG) eingereicht worden. Es geht um klimaangepasste Siedlungsplanung sowie um generelle Justierungen. In den Anträgen vorgesehen ist auch eine Fristverlängerung bis 2028. Einige Gemeinden möchten diese Rechtsänderungen abwarten, um unnötigen Gesetzgebungsaufwand zu vermeiden. Weil der Säumnisfall gesetzlich nicht geregelt ist, würde das Fehlen einer Umsetzung auf kommunaler Ebene nach Ablauf der Frist zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Das Bauen wird also nicht einfacher – zumindest vorerst.
Formelle Änderungen ergeben oft auch materielle Änderungen. Eine Einschätzung dazu gibt die Broschüre Werkbuch 2 vom Raumplanungsbüro «Suter von Känel Wild». Es ist mit grosszügigeren Auslegungen in der BZO zu rechnen, z.B. bei den Definitionen des Kniestockes oder der Dachaufbauten. Dies dürfte einige Bauherren dazu veranlassen, mit der Umsetzung ihres Bauprojekts (z.B. Aufstockung) zuzuwarten. Dies kann, nebst der generellen Kompliziertheit des Bauens, ebenfalls zu einem «Investitionsstau» beitragen. Die Harmonisierung der Baubegriffe kann also nur sehr beschränkt zu mehr Wohnbautätigkeit beitragen – zumindest vorerst.
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