Im Kanton Graubünden hat in den letzten vier Jahren die Wohnungsknappheit rasch und stark zugenommen. Das Angebot ist knapp und die Preise steigen. Avobis hat im Auftrag des Departements für Volkswirtschaft und Soziales mit einer Grundlagenanalyse die Marktlage und den Ausblick eingeordnet. Hier geben wir einen kurzen Einblick in die Studie. Solche Studien decken Handlungsfelder bei der Förderung von Wohnraum auf und können als Grundlage von Wohnraumstrategien dienen.
Registernachführungen und Zweitwohnungsgesetz erschweren die Markteinschätzung
Für einen ausgeglichenen Markt muss im Kanton Graubünden das Wohnungsangebot mindestens mit dem Haushaltswachstum Schritt halten. Mindestens, weil neben dem Wohnraumbedarf der ständigen Wohnbevölkerung ein beträchtlicher zusätzlicher Bedarf aufgrund der saisonalen Fachkräfte sowie der weiterhin existenten Nachfrage nach Ferienwohnungen besteht.
Die Zahlen für Graubünden zeigen, dass sich die letzten rund zehn Jahre in zwei Phasen aufteilen lassen. Nach dem Bewilligungshöchststand infolge der Zweitwohnungsinitiative lag in den Jahren 2014 bis 2018 das Wohnungswachstum klar über dem der Haushalte. Danach lag das Haushaltswachstum zwischen 2019 und 2021 wieder über dem des Wohnungsbestandes. Die Differenz zwischen der Wohnungsausweitung und dem Haushaltswachstum kann bei dem aktuellen Rückgang der Leerstände nur bedeuten, dass ein Teil der neu gebauten Wohnungen oder ein Teil des Bestandes einer anderen Nutzung als derjenigen einer bewohnten Erstwohnung zugeführt wurde.
Auf Kantonsstufe und in vielen Regionen war der Wohnungsbau zu gering für die Nachfrage nach Erstwohnungen und nach Ferienwohnungen. Der Nachfrageanstieg nach Ferienwohnungen in den letzten Jahren ist neben dem vorübergehenden Rückgang der Neubautätigkeit, der Zunahme von Zuzügen und der sinkenden Haushaltsgrösse ein Faktor bei der Verknappung des Wohnraums. Unter anderem hat das Zweitwohnungsgesetz zu einer verstärkten Segmentierung in einen Erst- und einen Zweitwohnungsmarkt geführt. Die rege Nachfrage sowie die Preisaufschläge bei Ferienwohnungen dürften mitunter auch zu einer Verknappung auf dem Erstwohnungsmarkt führen. Die Analyse zeigt darüber hinaus, dass zusätzlich entstehende Wohnungen durch Um- und Anbauten im Kanton einen relevanten Faktor darstellen.
Angespannter Wohnungsmarkt mit regionalen Unterschieden
Insgesamt signalisieren die Leerstände und die Immobilienpreisentwicklungen einen angespannten Wohnungsmarkt, da die Leerstände unter dem optimalen Leerstandsniveau liegen, und dies sowohl beim Mietwohnungs- als auch beim Wohneigentumsmarkt. Avobis schätzt die Situation für den Mietwohnungsmarkt als etwas kritischer ein.
Die Sicht auf den Gesamtkanton verdeckt unterschiedliche Situationen in den Regionen und Gemeinden. In der MS-Region Davos ist die Marktanspannung am grössten. Auch in den Regionen Chur, Surselva und Mittelbünden ist die Wohnungsknappheit ausgeprägt. In der Mesolcina hingegen zeigt die Leerstandserhebung ein gewisses Überangebot. Die sehr geringe kantonale Leerstandsziffer von 0.58 Prozent dürfte die Marktanspannung etwas überzeichnen, da die vielen Zweitwohnungen in den Gesamtwohnungsbestand einfliessen, aber kaum relevant sind für die Leerstandbeurteilung. Die aktuelle Angebotsquote ist zwar mit 1.57 Prozent ebenfalls vergleichsweise tief, zeigt aber eine grössere Marktliquidität.
Die Belegungsdichte in Graubünden ist gering und der Flächenverbrauch pro Kopf hat in den letzten Jahren überdurchschnittlich stark zugenommen. Der Wohnflächenverbrauch wird somit in Graubünden nicht nur durch das dynamische Haushaltswachstum, sondern auch durch einen steigenden Flächenverbrauch pro Kopf getrieben. Die Alterung der bereits heute im schweizweiten Vergleich überalterten Bevölkerung im Kanton wird weiter zunehmen. Damit steigt der Allokationsdruck für eine optimalere Aufteilung der Haushalte auf den Wohnraum.
Angebotsquoten in den MS-Regionen (August 2023)
Wenig Neubautätigkeit, sinkende Haushaltsgrösse und Wandel bei der Migration sorgen für Marktanspannung
Zur heutigen Marktanspannung beigetragen hat die verhältnismässig geringe Neubautätigkeit der letzten Jahre. In erster Linie haben Privatpersonen die Neubautätigkeit reduziert. Institutionelle sowie Bau- und Immobiliengesellschaften haben ihre Investitionen nur geringfügig reduziert. Insbesondere in den Jahren 2019 und 2020 wurden wenige Wohnungen bewilligt, was zusammen mit der Zunahme bei den Zuzügen und der weiter sinkenden Haushaltsgrösse den Wohnungsleerstand stark und rasch verringert hat.
Knappheit in allen Wohnsegmenten
Auf kantonaler Ebene gibt die Analyse keine Hinweise darauf, dass sich die Knappheit auf einzelne Segmente bezieht und somit ein spezifisches «Problem» des preisgünstigen Segments darstellt. Die Auswertung der aktuellen Angebotsmieten zeigt, dass auf Stufe Kanton das Angebot an preisgünstigen Wohnungen als grundsätzlich genügend einzustufen ist, bzw. der Mangel an preisgünstigen Wohnungen kein kantonsweites Problem darstellt.
Wieder anziehende Bautätigkeit in Graubünden
Im Gegensatz zur gesamtschweizerischen Entwicklung hat die Bautätigkeit in Graubünden wieder Fahrt aufgenommen. Die Neubaubewilligungen liegen wieder auf einem Niveau um die 1’300 Neubauwohnungen pro Jahr. Für den Anstieg der Planungstätigkeit ist vornehmlich der Mietwohnungsbau verantwortlich, was angesichts der regen Nachfrage sehr willkommen ist. In der jüngsten Vergangenheit (2019 – 2021) wurden die meisten Wohnungen von Bau- und Immobiliengesellschaften erstellt. Baugenossenschaften sowie auch die öffentliche Hand tragen weiterhin relativ wenig zum Neubau bei.
Keine Verschärfung der Knappheit zu erwarten
Über alle Segmente hinweg deuten die Seitwärtsbewegungen bei den Angebotsmieten und -preisen der letzten Monate sowie die Leerstände und Angebotsvolumen darauf hin, dass die Marktanspannung nun ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Die Baupipeline ist aber immer noch zu wenig gefüllt für eine klare kurz- bis mittelfristige Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. Im Gegensatz zur Gesamtschweiz ist eine angebotsseitige Entlastung im Ausblick jedoch wahrscheinlich bzw. hat schon eingesetzt.
Knapper Wohnraum im Kanton Graubünden: Grundlagenanalyse
Das Departement für Volkswirtschaft und Soziales Graubünden hat bei Avobis eine Grundlagenanalyse zur Einordnung des Wohnungsmarktes in Auftrag gegeben:
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